Bildung- und Lebenskunde

Bildung- und Lebenskunde

Wertebildender Schulunterricht

 

Thesenartige Überlegungen zu einer wichtigen bildungspolitischen Frage.

 

  1. Wertebildende Unterrichtsfächer in staatlichen Schulen wirken werteorientierend und aufklärend. Sie können freiheitliches und demokratisches Miteinander fördern und vermitteln Allgemeinwissen zu Menschenwürde und Menschenrechten. Im Vordergrund der ethischen Bildungsbemühungen steht die Förderung und Entwicklung einer selbstbestimmten und mündigen Persönlichkeit. Dabei sind Grundlagen für eine werteorientierte Lebensgestaltung sowie Wissen über philosophische Traditionen und Grundsätze ethischer Urteilsbildung sowie über Religionen und Weltanschauungen zu vermitteln.

 

  1. Die anzustrebende Entkonfessionalisierung der staatlichen Schule wirkt für die weltanschauliche Neutralität des Staates in Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Keine einzelne Religion oder Weltanschauung soll in der Schule die Wertbindung determinieren oder eine alleinige Wahrheit bestimmen.

 

  1. Eine Hauptaufgabe von Schule ist die Integration und Entwicklung von Fähigkeiten, gemeinsam leben zu lernen. Schülerinnen und Schüler sind in diesen Unterrichtsfächern nicht nach konfessionellen und religiös-weltanschaulichen Bindungen zu trennen, sondern gemeinsam zu unterrichten; Werteorientierungen, Philosophie und Ethik sind für alle gleichermaßen von Bedeutung.

 

  1. Zu favorisieren sind dialogisch angelegte, integrative Unterrichte in allen Bundesländern als Pflicht für alleSchülerinnen und Schüler, wie „Ethik“ in Berlin und wie teilweise „Lebensgestaltung/ Ethik/ Religionskunde“ (LER) in Brandenburg.

Grundlage hierfür ist der  Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senates des BVerfG vom 15. März 2007: „Die Offenheit für eine Vielfalt von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen. Sucht der Landesgesetzgeber im Wege der praktischen Konkordanz einen schonenden Ausgleich zwischen den Rechten der Schüler und Eltern aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 GG, so darf er dabei auch der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten ‚Parallelgesellschaften‘ entgegenwirken und sich um Integration von Minderheiten bemühen.“ Integrativer werteorientierender Unterricht für alle - wie LER - darf nicht auf die Stufe der konfessionsgebundenen Unterrichte zurückgesetzt sein.

 

  1. Unterrichtsangebote von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sollten außerhalb der staatlichen Schule stattfinden. Sofern sie in Schule durchgeführt werden, ist diese Möglichkeit allen Anbietern zu gewähren.

 

  1. Konfessioneller Religionsunterricht, weltanschaulicher Bekenntnisunterricht und alternativer Ethikunterricht können freiwillig und gleichberechtigt angeboten werden.

 

  1. Bei der Ausarbeitung und Evaluation von Rahmenlehrplänen für integrative werteorientierende Unterrichte und von entsprechenden Studiengängen für Lehrerinnen und Lehrer (Fachausbildung) sind die Akteure, auch die säkularen Organisationen, zu beteiligen.

 

 

 

Humanistische Lebenskunde in Brandenburger Schulen 

Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg und der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg KdöR (HVBB) haben am 9. Oktober 2007 die Vereinbarung über die Gestaltung und Finanzierung des freiwilligen Unterrichtsfaches Humanistische Lebenskunde an Brandenburger Schulen unterzeichnet. Damit liegt eine gute Rechtsgrundlage für die Durchführung von Lebenskunde ab dem Schuljahr 2007/08 im Land Brandenburg vor. Der mehrjährige Rechtsstreit des HVBB um das Recht, dieses bekenntnisgebundene Fach an Brandenburger Schulen anzubieten, war Ende 2005 mit einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts sowie mit dem dann geänderten Brandenburger Schulgesetz erfolgreich beendet worden.

Nachdem die Rechtssituation der Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Unterrichtsfrage geklärt war und eine Diskriminierung humanistischer und freigeistiger Weltanschauungen nicht mehr zugelassen wird, wurden die curricularen, personellen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für Humanistische Lebenskunde an den staatlichen Schulen Brandenburgs geschaffen.


Der Wunsch von Eltern und Schülern sind Grundlage für das Unterrichtsfach des HVD an den staatlichen Schulen, das werteorientierende, ethische und lebensgestaltende Fragen vom Standpunkt des weltlichen Humanismus beinhaltet. Gerade die weltanschauliche Situation in Brandenburg spricht für den Bedarf am Humanistischen Lebenskundeunterricht, denn über 80% der Schülerinnen und Schüler ist konfessionell nicht gebunden. Die konfessionelle bzw. religiös-weltanschauliche Situation in Brandenburg rechtfertigt zusätzlich das Angebot des HVBB. Für die Mehrheit ist ein säkularisiertes Wertesystem ausschlaggebend. 


Auch daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Werteerziehung gerade für konfessionell nicht gebundene Schüler auf der Grundlage des säkularen Humanismus bzw. einer nichtreligiösen freidenkerischen Welt- und Lebensanschauung. Das Bündnis für Werte in der Erziehung im Land Brandenburg, das am 11. Juli 2007 unter Beteiligung des HVBB geschlossen wurde, hat werteorientierende und –erzieherische Grundlagen für unsere Bildungs- und Erziehungsarbeit formuliert. In Partnerschaft mit anderen wollen wir sie umsetzen.


Im Landkreis Havelland wird der Unterricht zur Humanistischen Lebenskunde zurzeit in zwei Schulen durchgeführt, und zwar in der ZeeBra-Grundschule in Zeestow und in der Lessing-Grundschule in Falkensee-Finkenkrug. Qualifizierte Lehrkräfte des HVBB werden stundenweise eingesetzt. An weiteren Schulen kann das Unterrichtsangebot unterbreitet werden.


Im Fach Humanistischen Lebenskunde stehen die Schülerinnen und Schüler mit allen Erfahrungen ihres individuellen und gesellschaftlichen Lebens und mit ihren Fragen im Mittelpunkt. Der Unterricht ist an den Gedanken der Aufklärung und des Humanismus orientiert. Die Voraussetzungen des Lebenskundeunterrichts sind zum einen die Erfahrungen der Schüler, zum anderen sind es die Erfahrungen der Menschheit in ihrer wechselhaften Geschichte - gerade auch als Erinnerung und Begründung der Menschheitsideale von Frieden, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität.


Die curricularen Grundlagen für den freiwilligen Unterricht ohne Zensuren wurden im April 2007 mit einem Rahmenlehrplan vorgelegt, der vom Bildungsministerium genehmigt wurde. Er wurde mehrfach aktualisiert. Besonders hervorzuheben sind die zukunftsweisenden Aussagen zu den Grundsätzen und Unterrichtsinhalten für das Fach Humanistische Lebenskunde für alle Jahrgangsstufen, das moderne Kompetenzmodell, die Bildungsstandards sowie die fachdidaktischen Hinweise für den Unterricht. 

Humanistischer Lebenskundeunterricht ist vielfältig, aber nicht beliebig. Für sein Profil hat der vorliegende Rahmenlehrplan mehrere Funktionen. In rechtlicher Hinsicht ist er die Grundlage für die Zulassung als freiwilliges Angebot in der staatlichen Schule. In demokratischer Hinsicht legt er für Eltern, Schülerinnen und Schüler und die interessierte Öffentlichkeit Ziele, Inhalte und Formen des Unterrichts dar. In pädagogischer Hinsicht gibt er den Lehrkräften Orientierungen für die notwendigen didaktischen Entscheidungen. Wichtig sind die Art und Weise der Verwirklichung des Lebenskundekonzepts bzw. des Unterrichts: Es sollen Kreativität und Lernen, Freude und Spaß für die Schüler sowie das besondere Interesse der Eltern im Mittelpunkt stehen.


Im Rahmen von Projekten und bei anderen Gelegenheiten kann die Humanistische Lebenskunde mit dem Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER), mit anderen Schulfächern wie Deutsch, Sachkunde und Zeichnen und dem konfessionellen Religionsunterricht kooperieren. Diese Zusammenarbeit dient dem Anliegen, fächerverbindende Aspekte an ausgewählten Themen zu verdeutlichen und den Respekt vor der Freiheit des Individuums, das friedliche Zusammenleben und die Anerkennung der Menschenrechte auch durch fachübergreifende Lernprozesse zu unterstützen. Der humanistische Lebenskundeunterricht sieht sein Angebot in der Grundschule auch als eine Vorbereitung auf das Fach LER und ist in der Oberstufe ein additives Angebot zum LER- und Philosophieunterricht für Schülerinnen und Schüler, die sich intensiver mit Lebensfragen aus der Sicht des weltlichen Humanismus beschäftigen wollen.

Dr. Volker Mueller